Ausgabe 2/2023

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Editorial 2 – 2023

Wenn ich mir Jahresberichte von Ehe-, Paar-, Familienberatungsstellen anschaue, so staune ich, dass ich häufig auf die Tatsache stoße, dass Paarberatungen nach fünf Sitzungen beendet sind. Zuletzt wurde diese Zahl im Gespräch mit der Presse zur Verabschiedung in den Ruhestand der Verantwortlichen für diesen Bereich des Erzbistums Paderborn bestätigt. Notker Klann (2013) machte schon in dieser Zeitschrift auf dieses Phänomen aufmerksam. Angesichts der vorliegenden Daten zur Ausgangssituation der Klienten bezogen auf die Qualität der Beziehung, der Anzahl der streitintensiven Konflikte, der Intensität der depressiven Verstimmung und der subjektiv empfundenen Beeinträchtigung durch körperliche und seelische Allgemeinbeschwerden des Einzelnen stellte er die Frage: Bekommen Ratssuchende in der Beratung, was sie suchen?

Vielleicht ist eine Spur zu diesem Phänomen darin zu finden, dass die Systemische Paartherapie, die institutionelle und durch (Kirchen-) Steuermittel finanzierte Paarberatung dominiert. In seinem Aufsatz Lässt sich alles integrieren? oder Was genau ist eigentlich systemisch – und was nicht? Ein Plädoyer für Unterscheidungen, die einen Unterschied machen setzt sich Christian Roesler kritisch mit der ST auseinander. Pointiert in seinem Engagement für die Paare in der Fragestellung, ob auf der einen Seite das Herstellen von emotionaler Sicherheit in der Beziehung zum Therapeuten nicht wichtiger ist als das Gegenteil, nämlich die Infragestellung, Perturbierung oder gar Verstörung von Sichtweisen der Klienten.

Bekannterweise nimmt der Druck auf die Kolleg*innen in Beratungsstellen, in Jugendämtern angesichts der hohen Nachfrage gerade in Fragen von Partnerschaft, Trennung und Scheidung zu. Da stellt sich verständlicherweise die Frage, wie trotzdem möglichst vielen eine Beratung angeboten werden kann. In ihrem Aufsatz Potentiale der Kurzzeitmediation in der Trennungs- und Scheidungsberatung erwägt Laura Best die Vor- und Nachteile dieser Vorgehensweise.

Seit ich vor über 30 Jahren mit der Paarberatung begonnen habe, kenne ich sehr gut diesen Druck aus der Leitung der Beratungsstelle Hagen & Iserlohn. Am intensivsten spüren diesen sicherlich die Sekretärinnen, wenn sie immer wieder Ratsuchende auf eine schier nicht enden wollende Warteliste schreiben müssen. Diesen Druck geben diese dann an uns weiter: „Rudolf, da hat sich ein Paar mit zwei kleinen Kindern gemeldet, kannst Du die nicht irgendwie noch dazwischen nehmen?“

Gleichzeitig gibt es eine Menge an gut ausgebildeten Berater*innen, die allerdings nicht das Glück hatten, nach ihrer Ausbildung eine Anstellung an einer Beratungsstelle oder vielleicht nur mit wenigen Stunden bekommen zu haben. Oder sie müssen erleben, wie diese Stellen jetzt im Bistum Eichstätt heftig zusammengestrichen werden. Nicht wenige fragen sich: Und was dann? Der Schritt in die Freiberuflichkeit scheint für viele dann doch zu groß zu sein. Dieses Dilemma hat Monika Wacker aufgegriffen und zeigt in ihrem Artikel Paartherapie-direkt.de – Ratsuchende und qualifizierte Berater*innen zusammenbringen einen Weg aus einer Opfer- oder Erdulderhaltung in eine Gestalterhaltung.

In den Buchbesprechungen möchte ich insbesondere auf Robert Waldinger und Marc Schulz, The Good Life  ….und wie es gelingen kann – Erkenntnisse aus der weltweit längsten Studie über ein erfülltes Leben hinweisen. Wenn sie die Erkenntnisse daraus „eindampfen“ müssten, lautet die “Glücksformel”: Nichts ist so wichtig für die Gesundheit, Glück und persönliches Aufblühen wie gute erfüllende Beziehungen. Das sollte uns allen Ansporn sein, Ratsuchenden all das, was sie dafür brauchen, wirklich auch zur Verfügung zu stellen.

Zum Schluss geht mein herzlicher Dank an Dr. Christine Kröger, Professorin an der Hochschule in Coburg für ihre Mitherausgeberschaft dieser Zeitschrift seit der Ausgabe 3 – 2017. Die wachsenden beruflichen Herausforderungen lassen ihr keine Zeit mehr für dieses ehrenamtliche Engagement.

Ich wünsche Ihnen gute Anregungen und Impulse bei der Lektüre!

Ihr  

Rudolf Sanders

Klann, N. (2013): Thema verfehlt? Grundsatzreferate zu 50 Jahre Bundesverband. Beratung Aktuell 14, Nr.3, 29-41.

http://beratung-aktuell.de/wp-content/uploads/2019/11/BA-3-2013.pdf

 

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