Editorial 1 -2024
Zu den festen Größen wissenschaftlicher Forschung gehören die Ergebnisse, dass belastete Paarbeziehungen sowie insbesondere Trennung/Scheidung die psychische und körperliche Gesundheit der Partner langfristig in hohem Maße beeinträchtigen. Sie führen zu langdauernden psychischen Schädigungen bei den betroffenen Kindern und führen über die soziale Transmission des Scheidungsrisikos zu einer Zunahme von belasteten Paarbeziehungen in der nächsten Generation. Darüber hinaus wird das Gemeinwesen über die erhöhte Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitswesens sowie der Kinder- und Jugendhilfe belastet. Angesichts präventiver Maßnahmen in Großbritannien oder in Norwegen wird die Prävention in diesem Bereich in Deutschland sträflich vernachlässigt. Christian Roesler stellt in seinem Artikel Zwei innovative Projekte zur Dissemination von Präventionsprogrammen für Paare Möglichkeiten vor, wie diesem gesellschaftlich zentralen Thema endlich die Bedeutung bekommen zu lassen, die ihm gebührt.
Aber was ist, wenn eine Partnerschaft, eine Ehe scheitert? Für die Betroffenen ist dies nicht selten eine quälende Frage, weil sie ja einmal aus Liebe geheiratet haben. Wie konnte es kommen, dass diese nicht reichte? In der katholischen Kirche wird die Ehe als ein Sakrament, als etwas Heiliges betrachtet. So stellt sie eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Vorbereitung und zur Begleitung dieses Sakramentes zur Verfügung. Ein Beispiel mit Leuchtturm Charakter ist das vom Erzbistum München – Freising finanzierte Institut für Kommunikationstherapie und angewandte Forschung in Partnerschaft und Familie e.V. (https://www.institutkom.de/). In dem Artikel KOMKOM – ein hochwirksames Kommunikationstraining (Engl & Thurmaier 2016) wird der Erfolg dieser Arbeit fundiert durch prospektive Untersuchungen nachgewiesen. Und wenn trotz allen Trainings eine Ehe scheitert? Hier gibt es dann eine Möglichkeit zu überprüfen, ob die Betreffenden überhaupt die Voraussetzungen mitbrachten, eine Ehe einzugehen. Hier stellt Karl-Heinz Selge Das Ehenichtigkeitsverfahren als viertes Standbein der Ehepastoral vor. Da ich seit vielen Jahren als Gutachter in diesen Prozessen tätig bin, kann ich explizit bestätigen, dass für die Betroffenen dieser Klärungsprozeß als große Erleichterung erfahren wird. Ihr Grundbedürfnis nach Orientierung und Kontrolle wird dadurch gestillt, wenn sie feststellen können, dass sie keine Chance, eine Ehe auf Augenhöhe zu führen. Nicht selten erlebe ich es dann, das Betroffene durch diesen Klärungsprozess motiviert sind, sich auf einen emotions- und schemaorientierten Weg einer Paartherapie (Sanders & Kröger 2013) einzulassen.
Spiritualität wird in der psychosozialen Beratung nicht selten vernachlässigt. Das ist bedauerlich, weil diese eine bedeutende Ressource sein kann, um herausfordernde Lebenssituationen zu bewältigen. Dorothé Müller widmet sich in ihrem Beitrag der Frage Hilft oder schadet religiöser Glaube bei der Bewältigung krisenhafter Lebensereignisse? Über die Bedeutung von religiösem Coping nach Life Events für die psychische Gesundheit. Die Antworten dazu hat sie aus einer Befragung generiert, zu der ausschließliche Mitglieder einer evangelikalen Religionsgemeinschaft in Deutschland eingeladen waren, von denen insgesamt N = 380 in die Auswertung miteinflossen.
Die Bedeutung psychosozialer Beratung ist unbestritten. So gilt es, die Hemmschwelle möglichst niederschwellig zu gestalten, um Ratssuchenden den Weg dahin zu erleichtern. Dieser Frage sind in der Studie Der erste Schritt ist der schwerste – Über die Bedeutung von Niedrigschwelligkeit von Beratung und deren Umsetzung in einem Modellprojekt Verena Zimmer & Annette van Randenborgh nachgegangen und haben daraus Empfehlungen entwickeln können.
Mit dieser Ausgabe beende ich die Herausgabe von Beratung Aktuell Der Fachzeitschrift für Theorie und Praxis der Beratung. 25 Jahre war es mir eine Freude, die Kraft für dieses ehrenamtliche Engagement zur Weiterentwicklung der Psychosozialen Beratung den Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung zu stellen. Damit hatten sie eine Plattform für ihre Projekte, Gedanken, Untersuchungen. Über 60% der Beiträge generierten sich aus dem Bereich der Ehe-, Paar-, Familien-, und Erziehungsberatung. So war ich immer auf dem neuesten Stand und habe dadurch in hohem Maße auch für meine Arbeit profitiert. Darüber hinaus natürlich durch die zahlreichen Buchbesprechungen. Ich hatte das große Privileg, dass die Verlage ihre aktuellsten Veröffentlichungen mir zu Besprechung zur Verfügung stellten. Es ist einfach faszinierend, wie die psychosoziale Beratung im Laufe der Jahre sich verändert und weiterentwickelt.
Seit 2016 bin ich Mitglied im Vorstand der DAJEB, Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend und Eheberatung (www.dajeb.de). Seit meiner Berentung stelle ich in diesem Rahmen Kolleginnen und Kollegen meine langjährigen Erfahrungen in der Paarberatung zur Verfügung. Ein wichtiges Medium sind dabei unsere beiden Publikationen, Beratung als Profession und das Informationsrundschreiben das INFO. Als verantwortliche Redakteur bin ich für diese beiden Publikationen zuständig. Gerne können Sie mir ihre Beiträge zuschicken. Mit diesen Medien erreichen wir die Kolleginnen und Kollegen an 15.000 Beratungsstellen.
Zum Schluss bedanke ich mich zunächst beim Junfermann Verlag, der 1999 meine Idee aufgegriffen hat, eine Fachzeitschrift für psychosoziale Beratung in Deutschland herauszugeben. Durch die Kolleginnen im Verlag wurde ich immer in zuvorkommender Weise in meiner Arbeit unterstützt. Mein Dank gilt noch zwei Wegbegleitern, die zeitweise mit mir die Zeitschrift herausgegeben haben, Prof. Dr. Christine Kröger und Dr. Notker Klann.
Zum 20 Jubiläum schrieb Prof. Dr. Frank Nestmann „Das erste und einzig wirklich auf Beratung fokussierte Fachjournal in Deutschland.“
So blicke ich als Herausgeber voll Dankbarkeit und mit Stolz auf diese 25 Jahre.
Ihr
Dr. Rudolf Sanders