Ausgabe 2 -2021
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Der Lockdown im Rahmen der Corona Pandemie wurde notwendig, um unsere Gesundheit vor den Folgen einer lebensbedrohlichen Krankheit zu schützen. Die körperliche Gesundheit stand im Vordergrund. Dabei wird leicht übersehen, dass wir weit mehr sind als nur ein Körper. Wir haben einen Körper, aber wir sind Leib. So ist die Art der Zwischenleiblichkeit als Psychoimmunologie wesentlich für unsere physische Gesundheit. Häusliche Gewalt bedeutet permanent auf der Hut sein zu müssen, um sich vor Angriffen verbaler oder körperlicher Art zu schützen. Der Ort, wo man zu Hause ist, jemanden hat, mit dem man die Sorgen und Nöte, aber auch die Freuden des Lebens teilt, wo man Kindern ein Nest bietet, in dem sie sich entwickeln können, wird zu einem Ort der Anspannung. Es ist wie das Gehen auf dünnem Eis – man muss dauernd damit rechnen einzubrechen. Und dieser Stress macht krank!
Durch den Lockdown wurde diese Enge zu Hause umso bedrohlicher, weil es kaum Ausweichmöglichkeiten gab. Meist sind Frauen und Kinder im Blick, wenn es um häusliche Gewalt geht. Männer werden stereotyp als Täter identifiziert. Dies trifft sicherlich häufig zu, aber es gibt eine nicht zu unterschätzende Zahl von Männern, die ihrerseits Opfer häuslicher Gewalt durch ihre Frauen werden. Diesem Thema widmet sich Georg Fiedeler in seinem Beitrag Partnerschaftsgewalt gegen Männer.
Wie schaffen es Menschen mit psychosozialen Problemen eigentlich zu den entsprechenden Hilfsangeboten? Am Beispiel einer Studie aus Ostbayern wurden im Rahmen eines studentischen Forschungs-projektes 24 Erwachsene befragt. Dabei wurde festgestellt, dass niederschwellige und kostenlose Angebote kaum bekannt sind und stattdessen Internet-Suchmaschinen die Suche nach Anlaufstellen bestimmen. Daraus lässt sich schließen, dass für die Betroffenen keine transparenten Beurteilungsmöglichkeiten für die gefunden Ergebnisse vorhanden sind. Deshalb plädiert Agnes Nocon in ihrem Aufsatz Hilfesuchverhalten bei psychischen Problemen in Ostbayern aufgrund der Untersuchungsergebnisse dafür, dass neben einer besseren Ausstattung, Angebote zur Versorgung im Bereich der psychischen Gesundheit begleitet werden von Maßnahmen der Gesundheits-kompetenz.
Paare, die in eine Beratung kommen und nach ihrem Ziel gefragt werden, sprechen häufig explizit davon, Kommunikation und Miteinander verbessern zu wollen oder einfach davon, dass sie sich auseinandergelebt haben und nicht weiterwissen. Sie spüren, dass ihr Miteinander ihnen nicht guttut, dass ihre Kinder darunter leiden, aber sie wissen nicht, wie sie dies verändern können. In seinem Aufsatz Emotionsregulierung in nahen Beziehungen und ihre Veränderung durch Erfahrungen der Selbstwirksamkeit in der Arbeit mit Paaren verortet Rudolf Sanders die Ursachen dieses Leids in Quellen traumatischer Kindheitserfahrungen. Indem diese dechiffriert werden und ein Erfahrungsraum für Selbstwirksamkeit hinsichtlich der intimen Bedürfnisse nach Nähe, Geborgenheit und Zuwendung angeboten wird, wird einem Paar statt einer Trennung oder Scheidung Lösungen zweiter Ordnung zu generieren ermöglicht. Ein wichtiger Schlüssel dabei ist die Entwicklung des Einzelnen zu sozial-bezogener Autonomie im Angesicht des Anderen.
Christine Kröger & Rudolf Sanders