Editorial 4 -2017
Die Inhaftierung eines Familienmitgliedes ist in der Regel für alle Beteiligten mit Scham und Schweigen verbunden. Ebenso fremd – und vermutlich auch tabuisiert – ist die Gefängniswelt für viele Berater*innen. Was aber, wenn das Thema im Rahmen einer Beratung auftaucht? Wie kann es gelingen, betroffene Personen und deren Angehörige und Familien zu unterstützen und zu begleiten? Christel Bakker-Bents gibt mit einem Erfahrungsbericht aus ihrer Praxis Einblick in die Fremde Welt Gefängnis – Einblicke in die Gefängnisseelsorge.
Die Entwicklungschancen, die durch die Einbeziehung des Körpers in Beratungs- und Therapieprozesse entstehen können, gewinnen in unterschiedlichen Settings an Bedeutung. Mit ihrem Aufsatz Paar-Yoga für ein weites Herz: Begegnung auf neuer Ebene stellt Claudia Rief-Taucher vor, wie sie durch Paar-Yoga einen Begegnungs- und Erfahrungsraum für Paare schafft. In der gemeinsamen Yoga-Praxis dehnen sich sanft die körperlichen und mentalen Grenzen zu einem Wir, dessen Tiefe ein Paar gemeinsam neu austariert, ein Wir, das sich mit weitem Herzen auf alle und alles ausbreiten darf. Die Autorin stellt einzelne Übungen vor und das nicht nur im Wort, sondern auch im Bild, so dass sich ein anschaulicher Zugang zu ihrem Ansatz vermittelt.
In seinem Aufsatz Destruktive Muster in Paarbeziehungen – Erkennen, Verstehen, Intervenieren stellt Rudolf Sanders ein Prozessmodell für den Ablauf einer Paarberatung vor. Ausgehend von einem Paarmodell, in dem die Partner*innen am „Du zum Ich werden“, wird ein bindungsorientiertes Störungsmodell entwickelt. Unsichere bzw. desorganisierte Bindungsrepräsentationen führen zu einem instabilen Selbst, das es erschwert, ein/e Partner*in, ein Gegenüber in einer nahen Beziehung zu sein. Basierend auf einem Beziehungsmodell, in dem die/der Berater*in begrenzte und begrenzende Elternfunktionen wahrnehmen, wird Weiterentwicklung und Heilung möglich. Damit kann aus maladaptiven Bewältigungsversuchen ein konstruktives Miteinander gebahnt werden, in dem souveräne Persönlichkeiten eine befriedigende Paarbeziehung gestalten können.
Prof. Dr. Christine Kröger