Von Hügeln und dem Hochgebirge

Therapeutische Begleitung von Menschen in konsensuell nicht-monogamen Beziehungen

Jonas Bamert

Beratung aktuell, 26(1), 2025, 35–52

https://doi.org/10.30820/1437-3181-2025-1-35

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CC BY-NC-ND 4.0

Abstract: Die Begleitung von Einzelpersonen, Paaren oder Mehrpersonenkonstellationen (Polykülen) in konsensuell nicht-monogamen (KNM) Beziehungen kann beratende und therapeutische Fachpersonen vor Herausforderungen stellen und zu Konflikten in ihrer eigenen Haltung führen, zum Beispiel in Bezug auf Ethik, Moral oder auch Gewohnheit und Expertise. Da die Nachfrage nach Therapie und Beratung für Menschen in KNM-Konstellationen stetig steigt, soll dieser Praxisbericht ein therapeutisch-beraterisches Vorgehen entlang einer Fallvignette skizzieren. Ziel ist es, Fachkräfte darin zu unterstützen, Berührungsängste abzubauen und sich vorbereitet auf die komplexe und vielschichtige Arbeit einzulassen, sowie den professionellen Diskurs voranzutreiben.

Von Hügeln und dem Hochgebirge

Wenn Paare mit dem Ziel einer funktionierenden konsensuell nicht-monogamen Beziehung (KNM-Beziehung) meine Praxis aufsuchen, befinden sie sich meist in einer Phase erster Herausforderungen nach einer Beziehungsöffnung oder einer Veränderung der Beziehungsform. Da es aktuell mitunter als »trendy« gilt, sich mit alternativen Beziehungsmodellen auseinanderzusetzen, ist die Frage häufig: »Wenn es bei anderen so scheinbar leicht klappt, warum dann nicht bei uns?«.

Auf einer rational-intellektuellen Ebene mag es sinnvoll erscheinen, sich sexuell-romantisch auf mehrere Menschen einzulassen. Sind wir doch soziale Wesen, die vielfältige zwischenmenschliche Kontakte genießen und diverse und ambivalente Bedürfnisse haben. Heute darf man theoretisch alles, aber wie sieht das praktisch aus? Zumindest das Bindungssystem hält sich weder an Intellektualisierung, Trend noch rationale Prinzipien.

Oft haben Paare in ihrem Umfeld von anderen gehört, die ihre Beziehung geöffnet haben oder alternative Beziehungsformen ausprobieren. Sie bringen eigene Vorstellungen und Ideen mit, haben Artikel gelesen, Podcasts gehört oder Bücher zu dem Thema studiert. Sie fühlen sich vorbereitet. Doch sobald es konkret wird, zeigen sich häufig unerwartete Herausforderungen.

Ich vergleiche den Weg von einer monogamen hin zu einer nicht-monogamen Beziehung gerne mit einer Bergwanderung: Man beginnt in sanften Hügellandschaften und bewegt sich allmählich in anspruchsvollere Gefilde hin ins Hochgebirge, wo die Luft dünner wird und der Sauerstoffgehalt sinkt. Nicht alle Menschen können sich gleichermaßen gut an diese Höhe anpassen – ihre emotionale und bindungsbasierte Konstitution und persönliche sowie beziehungsbezogene Entwicklung spielen dabei eine entscheidende Rolle. Wichtig ist hierbei zu betonen, dass »höher« nicht gleichbedeutend mit »besser« ist. Vielmehr geht es darum, die passende Route für sich und die eigene Beziehung zu finden.

Anna und Tim

Anna und Tim sind seit acht Jahren ein Paar, Anfang 30, haben sich im Studium kennengelernt, waren schon zusammen auf zahlreichen Auslandsreisen. Sie wünschen sich in zwei bis drei Jahren auch gemeinsame Kinder. Bis dahin möchten sie noch sexuelle und allenfalls auch romantische Erfahrungen mit anderen Menschen machen. Sie haben einige befreundete Paare in ihrem Umfeld, die von aufregenden Erlebnissen berichten und sogar meinen, die neue Beziehungsform habe ihre Beziehung gestärkt und sie noch näher zusammengebracht. Seit Anna es gewagt hat, das Thema gegenüber Tim anzusprechen, haben sie einige Nachtessen mit polyamorös lebenden Freunden gehabt und auch bereits zwei Bücher zum Thema gelesen. Sie sind sich einig und wollen beide jeweils ein Profil auf den üblichen (Online-)Plattformen erstellen. Ihre Profile haben sie im Sinne der Transparenz beide gegengelesen und vereinbaren sich laufend über alles zu informieren.

Wie als Cis-Frau oft üblich (Degen, 2024), bekam Anna viel mehr und schneller Anfragen bzw. Matches, was Tim etwas genervt hat – nach zwei Wochen hatte aber auch er seinen ersten Match und die Woche darauf auch ein Date. Anna ist noch etwas überfordert bezüglich der vielen Anfragen und erlebt die oft sexualisierte Kommunikation ihrer bisherigen Matches auch nicht als anregend – sie ist eher enttäuscht. Tim hingegen geht auf sein erstes Date mit Vanessa, bei dem die beiden auch intim werden.

Tim ist begeistert, er fühlt sich so lebendig wie schon lange nicht mehr und nach zwei Monaten kann er, der sich lediglich ein paar neue sexuelle Erfahrungen erhofft hat, berichten, dass er verliebt ist und sich auch gerne eine romantische Zweitbeziehung mit Vanessa vorstellen könnte, allenfalls im Sinne einer polyamoren Beziehung. Als Tim dies Anna eröffnet, kriegt sie keine Luft mehr. Dieses Gefühl kennt sie – die Panikattacken ihrer Jugendzeit sind zurück – sie erlebt den totalen »Bindungsalarm« und schämt sich zudem, als eigentliche Initiatorin dieses »Projekts« jetzt schwierige Gefühle zu haben.

Was ist passiert?

Durch die Veränderung der Beziehungsform von monogamen hin zu KNM-Beziehungen entstehen oft unerwartete Herausforderungen für die beteiligten Bindungssysteme (Fern, 2020). Die neue Beziehungsform kann die Wahrnehmung des Selbst und der inneren wie äusseren Sicherheit verändern und (unerwartete) individuelle Bindungsunsicherheiten hervortreten lassen.

Aus der Perspektive der Bindungstheorie (Bowlby, 1988) müssen wir uns mit anderen Menschen verbunden fühlen, um zu überleben. Unser Nervensystem setzt die emotionale Verbindung mit Sicherheit gleich und emotionale Trennung mit Gefahr und Bedrohung; und kollektiv wird zudem erlernt, dass Monogamie sichere Bindung sei und Außen- oder konkurrierende Beziehungen Unsicherheit bedeuten. Diese Gefahren müssen nicht wirklich real eintreffen, um das Bindungssystem zu alarmieren und Stress hervorzurufen. Sue Johnson (2019) nennt diese Zustände »Primal Panic«, ich nenne sie »Bindungsalarm«.

Bindungsgeschichte unserer Protagonistin

Anna hat eine ambivalente Bindung zu ihrer Mutter, mit Tim konnte sie dann aber in der monogamen Beziehungsform eine sichere Bindung aufbauen und er konnte zu ihrer primären Bindungsperson werden, mit der sie sich endlich sicher fühlte. Dass Tim jetzt nicht nur sexuelle Verbindungen knüpft, was sie aufgrund ihrer starken gegenseitigen Bindung womöglich nicht sonderlich bedrohen würde, sondern auch eine romantische Beziehung zu Vanessa aufbauen möchte, bringt ihre Bindungssicherheit ins Wanken. Ihre eingeübte Ko-Regulation greift in der Veränderung nicht mehr.

Oft gewinnen Betroffene Sicherheit aus der Beziehungsstruktur und nicht unbedingt durch die Beziehungserfahrungen mit der Partner:in. Die Frage ist, gab Tim Anna die Sicherheit oder die monogame Struktur? Wenn die bisherige, Sicherheit gebende Struktur, die nur eine Partner:in vorsieht, verändert wird, treten viele Unsicherheiten hervor. In solchen Fällen sind der innere Selbstwert und die Bindungssicherheit an die Partner:schaft und ihre exklusive Form gekoppelt (Fern, 2020). Das zu erfahren, kann zunächst herausfordernd sein, obwohl es für viele programmatisch ist.

Im Kontext von KNM-Beziehungen können vermeintlich einfache Gegebenheiten (»Darf ich mit der anderen Beziehungsperson samstags ausgehen?«) tief in unserer Bindungsgeschichte rühren: Werde ich wertgeschätzt von der anderen Beziehungsperson, schätzt meine Partner:in mich auch wenn sie mit sonst jemandem ausgeht? Wie klar muss ich wissen, wann wir uns wiedersehen? Wie sehr bin ich mir einer gemeinsamen Zukunft sicher? Werde ich zurückgelassen mit schmerzvoller Unsicherheit?

Viele Paare erleben, nach ihren ersten Herausforderungen oder Bindungskrisen im Ausprobieren nicht-monogamer Beziehungsformen, ein Gefühl des Scheiterns. Gelingt es, im beraterischen- oder therapeutischen Prozess das Paar dabei zu begleiten, sich nicht als gescheitert wahrzunehmen, und dementsprechend blockiert zu sein, sondern sich mit neuer Hoffnung zurück ins »Basecamp« zu begeben, sich neu auszurüsten und sich schrittweise in der neuen Landschaft zu akklimatisieren, steht die nächste Erkundung unter einem anderen Stern.

Im Basecamp

Nachdem betroffene Menschen realisiert haben, dass die Rückkehr zum Basecamp nicht ein Scheitern oder eine »allgemeine Unfähigkeit« ihrerseits bedeutet (und sie bei Bedarf auch einen psychoedukativen Zugang zur Funktionsweise ihres Bindungssystems erhalten haben), können wir uns an die Arbeit machen und die nötigen Voraussetzungen für den Umgang mit einer sicher(er)en langsam(er)en Route schaffen.

An dieser Stelle ist es mir nochmals wichtig zu betonen, dass Schuld- und Schamgefühle der Klientinnen bezüglich den ersten »Gehversuchen« in den KNM-Beziehungen wohlwollend adressiert und beleuchtet werden sollten. Häufig sind Menschen, die sich auf diese Reise einlassen, in ihrem Leben gut etabliert und grundsätzlich sozial-, beruflich- und romantisch erfolgreich – umso mehr verunsichern sie die ungewohnten Reaktionen ihres Bindungssystems.

Ferner ist es seitens der Beratungsperson wichtig, keine Versprechen bezüglich des Outcomes zu machen: In meiner Erfahrung bleibt es für etwa ein Drittel der interessierten Personen und Paare dauerhaft schwierig, eine KNM-Beziehung zu führen oder ihr Bindungssystem dahingehend zu beruhigen, dass weitere Ausflüge ins »Hochgebirge« unternommen werden können. Dies mag für Einige enttäuschend sein, insgesamt profitieren aber die meisten KNM-Interessierten in jedem Fall von einer differenzierteren Auseinandersetzung mit ihren Bindungsmustern, Erweiterung von Selbstregulationsstrategien und einem mutigen Austausch mit ihren Partner:innen. Für die Praxis bieten sich bei der Begleitung drei Schritte an, die im Folgenden genauer beleuchtet werden sollen.

Akklimatisierung (KNM-Intervention)

Nachdem die betroffenen Beziehungsmenschen die ersten Herausforderungen mit der neuen Beziehungsform erlebt haben, geht es darum, die gemeinsame Bindungssicherheit unter den neuen Umständen zurückzuerlangen oder gar zu erweitern und dabei etwaige Asymmetrien zu berücksichtigen.

Oft geht es bei Therapiebeginn erstmal um die akute Enttäuschung und Bindungsnot. An diesem Punkt ist eine behutsame Auftragsklärung und Stabilisierung wichtig: Jegliche Art von Stigmatisierung der Betroffenen durch die therapierende Person ist zu vermeiden (Schechtinger et al., 2018) da sie die Selbstzweifel, Bindungsverunsicherung und Scham der Betroffenen nur noch verstärken und folgenden therapeutischen Prozessen entgegenwirken. In dieser vulnerablen Phase benötigen Klient:innen mehr denn je eine bedingungslose Wertschätzung und Akzeptanz – sowohl für ihren Versuch der Beziehungsöffnung als auch für die teils verunsichernden Reaktionen ihres Bindungssystems.

Dies bedeutet, dass das Basecamp einen geschützten »Container« bieten soll, wo sich die Klient:innen nicht weiteren (Bindungs-)Gefahren ausgesetzt sehen. Allenfalls kann dies bedeuten, dass Zweitbeziehungen vorübergehend in angepasster Form gelebt werden (beispielsweise weniger Treffen, andere Form von Treffen, Pause) solche »Sicherheitsvorkehrungen« können helfen, sollen aber eher als temporäre Massnahmen angeschaut werden um wieder (Bindungs-)sicherheit zu gewinnen (Fern, 2023).

Bei Anna und Tim war es für Anna wichtig, dass Tim vorübergehend nur noch Tagestreffen mit Vanessa vereinbart und nicht mehr bei ihr übernachtet. Da Anna nicht über Tim bestimmen möchte und Vanessa auch ganz nett findet, will sie den Beiden keinesfalls einfach den Kontakt verbieten, sie bemerkt jedoch, dass ihre Komfortzone bei Übernachtungsdates stets sehr strapaziert wird und sie sich dem nicht mehr einfach entziehen kann ohne in Flucht- und Vermeidungsschemata reinzukommen.

Sobald durch die Wiedererlangung der Bindungssicherheit im Paar die Alarmreaktionen abnehmen, kann die Arbeit an der Rückerlangung und womöglich auch der Ausbau der Bindungssicherheit erfolgen.

Für die Rückerlangung und Stärkung der Bindungssicherheit hat sich in meiner Praxis und andernorts die Emotionsfokussierte Paartherapie (Johnson, 2019) als hilfreich erwiesen (Edwards et al. 2023; Kolmes & Witherspoon, 2017). Zudem nutze ich auch die Paarschematherapie (Roediger & Noyon, 2021) mit KNM-Paaren.

Neben ihrer guten Evidenzbasierung (Beasley & Ager 2019; Spengler et al., 2022) ermöglichen emotionsfokussierte Konzepte korrektive Bindungserfahrungen, was in dieser Phase essentiell ist. Mehrere sichere Bindungsbeziehungen zu bilden und aufrecht zu erhalten (welche die Erfüllung unterschiedlicher Bindungsbedürfnisse erfüllen und gleichzeitig eine sichere Basis für individuelle und beziehungsbezogene Entdeckungen bieten), ist eines der Hauptziele der therapeutischen Begleitung von KNM-Beziehungen (Edwards et al., 2023).

Emotionsfokussierte Therapie befasst sich mit herausfordernden Interaktionsmustern in Paaren und zielt darauf ab, diese schwierigen Zirkel hin zu einer gegenseitig sicheren Bindung zu transformieren, indem es die emotionale Kohärenz und gegenseitige Empathie fördert (Johnson, 2019). Sue Johnson, die Begründerin der Emotionsfokussierten Paartherapie, spricht etwa, bezüglich dem, was wir in Beziehungen suchen, von drei Fragen: Bist du verfügbar? Bist du ansprechbar? Bist du emotional involviert? In der Emotionsfokussierten Paartherapie geht es demnach darum, sich mit seinen aktivierten emotionalen Reaktionen zeigen zu können und schließlich auch zu erleben, dass die Partnermenschen achtsam mit diesen umgehen können (Johnson, 2019). Uns auch im schwierigen emotionalen Erleben verstanden und unterstützt zu fühlen und nicht Angst haben zu müssen verlassen, angegriffen oder für unser Verhalten bewertet zu werden, ist entscheidend. Erleben wir im Verlauf der Therapie dieses zugewandte bindungsorientierte Verständnis unserer Partnermenschen, gewinnen wir Sicherheit und unser Bindungs- und Nervensystem kann sich entspannen.

Auch die Paarschematherapie befasst sich mit dem gegenseitigen Verstehen von Bindungsmustern und der gegenseitigen Bindungsgeschichte und unterstützt die Partnermenschen dabei in strukturierter Weise das Verständnis und die Unterstützung des Gegenübers zu erleben (Rödiger & Noyon, 2021).

Bei beiden Verfahren kommen üblicherweise auch Einzeltermine zum Zug, die helfen sollen, individuelle Bindungsmuster und -Schemata besser kennenzulernen, was dann auch den Austausch über diese im Paar- oder Mehrpersonensetting erleichtern kann (Edwards et al., 2023). Die in den Verfahren enthaltenen (therapeutischen) Inszenierungen partnerschaftlicher Verbundenheit, auch in Momenten in denen bedrohliche Emotionen wie (Verlust-)Ängste oder Gefühle des Alleinseins auftauchen, können helfen die Aktivierung ungesunder Schemata zu vermindern. Ziel ist es, negative Zirkel, die sich etabliert haben, aufzudecken, ins Bewusstsein der Beteiligten zu bringen und sie dabei zu unterstützen, diese selbständig und gemeinsam zu unterbrechen (Welch, 2019).

So soll die Ko-Regulation zwischen Partner:innen verbessert werden, ohne dabei in eine gegenseitige Ko-Abhängigkeit bezüglich der Selbstregulation zu gelangen (Johnson, 2019).

Im therapeutischen Prozess kann es hilfreich sein, sekundäre Emotionen wie Eifersucht, Wut oder Schuld zu tieferen primären Emotionen wie Angst und Traurigkeit zu linken (Johnson, 2019). Die Arbeit an primären Emotionen hilft dann oft automatisch, die sekundären Emotionen aufzulösen.

Tim kennt Annas Geschichte und weiß, dass ihre Mutter nicht immer verlässlich für sie da war. Er war sich jedoch nicht bewusst, was für eine existentielle Not getriggert wird, wenn die entsprechenden Schemata aktiviert werden. Da er als gewissenhafter Partner in ihrer monogamen Beziehung stets verfügbar war, gab es auch kaum Anlass für heftige Reaktionen seitens Anna. In der Sicherheit des Therapieraums kann sich Anna ausführlich mit ihren Ängsten zeigen, die sie heute in Zusammenhang mit Vanessa erlebt. Tim realisiert nicht nur kognitiv, wie herausfordernd dieses Erleben für Anna wohl ist, sondern kann es mit der Unterstützung des strukturierten, emotionsfokussierten Vorgehens richtiggehend nachfühlen und dieses emotionale Verständnis Anna auch zeigen.

Dieses erlebte Mitgefühl berührt beide tief und führt Schritt für Schritt dazu, dass Anna ihre Sicherheit mit Tim zurückgewinnt und sogar ausbauen kann – sogar soweit, dass sie sich in der Beziehung in einer neuen, nie dagewesenen Verbundenheit wiederfinden.

Im Verlauf der Therapie kann sich, durch das neue Sicherheitserleben, auch Tim mit bisher verborgenen herausfordernden Emotionen und Ängsten zeigen. Die Offenbarung seiner Verletzlichkeit führt auch bei Anna dazu, Tim in seinem Erleben und in seiner Verbundenheit zu ihr als emotional glaubwürdig zu erleben und zusätzliches Vertrauen aufzubauen.

Bowlby (1988) spricht sowohl von einem sicheren Hafen, zu dem wir zurückkehren können und einer sicheren Basis, von der aus wir explorieren dürfen, um uns bei einer Bindungsperson sicher zu fühlen. Die Partnermenschen als Quelle von emotionalem Support und Komfort zu erleben und dadurch ergebnisoffene Handlungsfreiheit zu gewinnen, ist Ziel der erwähnten Therapieverfahren.

Die Akklimatisierungsphase soll also nicht nur der Deeskalation und Stabilisierung dienen, sondern auch das Erkennen und Durchbrechen negativer Interaktionsmuster ermöglichen. Gelingt dies, hat die therapeutische Begleitung dazu geführt, dass die beteiligten Bindungsbedürfnisse sichtbar werden und Strategien zur Adressierung auf Subjekt- und Paarebene entwickelt wurden. Alle beteiligten Partner:innen haben unterdessen idealerweise ihre emotionale Reaktionsfähigkeit, Zugänglichkeit und ihr Verständnis für die Ängste und Bedürfnisse ihres Gegenübers gestärkt.

Auch wenn die Akklimatisierung und (Rück-)Erlangung von Sicherheit im Basecamp noch läuft, kann es parallel dazu sinnvoll sein, sich bereits mit der passenden Ausrüstung zu befassen, um schließlich weitere Erkundungen in höhere Gefilde unternehmen zu können.

Ausrüstung (KNM-Kompetenzaufbau)

KNM-Beziehungen brauchen, wie wir im vorangegangenen Abschnitt gesehen haben, eine zusätzliche Schicht an Vertrauen. Wenn es Menschen schaffen, diese hinzuzufügen, berichten viele sogar von einer Verbesserung ihrer Beziehung, da sie mehr Kompetenzen haben, herausfordernde Situationen zu meistern. Mit jedem Paar oder Polykül ist es wichtig, ihre eigene Version und Adaption der konsensuellen Nicht-Monogamie zu finden, dabei darf man ruhig kreativ zugehen. Bevor wir uns ein paar nützliche »Ausrüstungsteile« anschauen, ist es mir an dieser Stelle ein Anliegen, die Wichtigkeit der psychologischen Flexibilität zu betonen: Wie es auf einer Bergtour auch entscheidend ist, flexibel auf unterschiedlichste Gegebenheiten und Ereignisse reagieren zu können, ist es auch in KNM-Beziehungen wichtig, Erlebnisse und Gegebenheiten differenziert anzuschauen und passgenaue, situative Lösungen zu finden.

Sobald Partner:innen die individuelle Bindungssensibilitäten verstehen, können sie auch Vereinbarungen eingehen, um diesen individuellen Bedürfnissen und der benötigten Sicherheit innerhalb der Beziehung Rechnung zu tragen. Zu bemerken ist, oft werden Vereinbarungen über die Zeit freier – mit zunehmender Gewöhnung und abnehmender Ambivalenz und Sorge dem neuen Erleben gegenüber.

Sowohl Anna als auch Tim konnten jetzt schon einige Male rechtzeitig reagieren und haben schnell erkannt, wenn das Gegenüber in eine Situation kam, in welcher der Bindungsalarm ausgelöst wurde und sich das Gegenüber in (Bindungs-)Not befand. So konnten sie situations- und emotionsgerecht auf die Bedürfnisse der anderen Person reagieren. Früher hätten sie dagegen wahrscheinlich auf ihre fixen Regeln oder Abmachungen beharrt und hätten sich so noch mehr in eine Spirale der Entfremdung begeben und mit Konflikten die tiefer liegenden Themen überlagert.

Mit zunehmender Differenzierung und psychologischer Flexibilität geht es nicht mehr darum, Probleme in alter Routine zu beschwichtigen, sondern situationsgerecht zu reagieren. Ansonsten entsteht das Gefühl, man müsste einfach genügend Wissen haben oder Regeln kennen, dann klappt es schon – oft ist dies ein Irrtum, da jede KNM-Beziehung einzigartig ist und sich auch laufend verändert.

Um dies umzusetzen, braucht es aber auch einige Ausrüstungstools, die bei keiner weiteren Erkundung fehlen sollten. Nachfolgend soll nun auf drei essentielle Tools genauer eingegangen werden: Vereinbarungen, (Selbst-)Regulation und KNM-Kommunikationstools.

Vereinbarungen

Vereinbarungen bieten einen sicherheitsgebenden Rahmen, an welchem sich die Beteiligten orientieren können und der auch verändert werden kann. Fern (2020) betont, dass Vereinbarungen regelmäßig überprüft und angepasst werden sollten, da sich Bedürfnisse und Lebensumstände verändern und echte Erfahrungen antizipiertes Erleben korrigieren. Eine Verschriftlichung in klarer Sprache kann dabei vorteilhaft sein, um sich einerseits daran zu orientieren, aber auch immer wieder eine Grundlage für eine Revision zu haben (Kolmes & Witherspoon, 2017; Veaux & Rickert, 2014).

Als Therapeut:in kann es wichtig sein, mit den Klient:innen spezifisch anzuschauen, wie sie ihre Vereinbarungen auf unterschiedlichen Ebenen (emotional, sexuell, logistisch, außenpolitisch etc.) entwickeln. Das Wissen darüber kann der therapierenden Person helfen, zu eruieren, wann es nötig ist, etwas zu verändern (Edwards et al., 2023; Finn et al., 2012).

Die Vereinbarung, dass Tim bei Vanessa nicht schlafen darf, wurde mit der Ergänzung versehen, dass sie nach zwei Monaten die Erfahrungen und Gefühle mit dieser Vereinbarung nochmal anschauen und allfällig revidieren. So gibt es Anna für die kommende Zeit Sicherheit für ihr Bindungserleben und auch Tim erlebt, dass seine Bedürfnisse Berücksichtigung finden (werden).

Regulation

Da wir in KNM-Beziehungen immer wieder Momente erleben, wo wir auf uns alleine gestellt sind, ist es unabdingbar, uns selbst regulieren zu können, wenn schwierige Gefühle aktiviert werden und wir allenfalls in eine Bindungsnot geraten. Fern (2020) spricht von drei Arten der Regulation:

Selbstregulation
Externe Regulation (zwischenmenschlich)
Interaktive Regulation (beziehungsintern)

Bei den ersten Dates von Anna hatte sich Tim vorgenommen, das Ganze einfach »auszuhalten«, so schlimm könne es ja wohl nicht werden und er findet es ja unterdessen sowieso gut, dass sie ihre Beziehung geöffnet haben. Er hat dabei seine Rechnung ohne sein Bindungssystem gemacht und ordentliche Selbstzweifel tauchten auf: Schwierige Gefühle, wie er sie aus seiner Jugend kennt. Dies ist teilweise so weit gegangen, dass er sich selbst nicht mehr zu helfen wusste und zur Dämpfung seiner Emotionen Alkohol konsumiert hat und daneben teilweise auch in einen »Pornorausch«, wie er es selbst nennt, reingekommen ist.

Unterdessen hat er in der Therapie unterschiedliche, für ihn passendere, Regulationsstrategien für solche Fälle bereit: Er hat ein hochintensives Sportprogramm mit anschließenden Atemübungen zusammengestellt. Danach gehe es ihm jeweils deutlich besser und er kann zu anderen Strategien wechseln. Etwa, sich auch mit anderen nahestehenden Menschen treffen, während Anna auf Dates geht.

KNM-Kommunikationstools

In KNM-Beziehungen sind Kommunikationsräume, in denen sich die beteiligten Partnermenschen über ihr Erleben austauschen oder mehr von ihren Gefühlen teilen, unabdingbar. In der Folge sollen zwei davon genauer beleuchtet werden. Eines davon ist ein sogenanntes Beziehungs-Check-In mit dem Titel »Radar« (Winston et al., 2023), das andere eine Methode, um unvoreingenommen die Gefühle und Erlebnisse des Gegenübers zu ergründen, der sogenannte »Initiator-Inquirer-Prozess« von Bader & Pearson (1998). Diese Tools können natürlich auch in monogamen Beziehungen sehr nützlich sein.

Radar

Den Radar kann man als monatliche (nach Bedarf auch öfter) Paarversammlung ansehen, in welcher die beteiligten Partner:innen sich darüber austauschen, wie es ihrer Beziehung geht und potentielle Herausforderungen ansprechen, bevor es zur Eskalation kommt. Ein solches Vorgehen, das vorzugsweise in guter psychischer und physischer Verfassung (genügend Schlaf, kein Hunger, ruhiger Ort, genug Zeit) durchgeführt wird, ermöglicht es den beteiligten Personen, in einem strukturierten sicheren Setting herausfordernde Gefühle und Wünsche auszudrücken. Das Vorgehen hat meist verschiedene Teile wie: Rückblick auf die letzte Zeit, Traktanden, Diskussion, Aushandeln von Maßnahmen, die bis zum nächsten Termin ausprobiert werden sollen, und dann eine Würdigung der getanen Arbeit und eine (Wieder)-Verbindung mit den Partnermenschen. Eine ausführliche Anleitung findet sich unter: https://www.multiamory.com/radar

Initiator-Inquirer-Prozess

Beim Initiator-Inquirer-Prozess geht es darum, unvoreingenommen dem Partnermenschen vom eigenen (Gefühls-)Erleben zu erzählen. Eine Person offenbart dem Gegenüber eine Gegebenheit oder ein Gefühl, wobei das Gegenüber mit einem »Forschendenmindset« zuhört und die erzählende Person möglichst gut verstehen möchte, ohne zu bewerten oder bereits eigene Hypothesen zu bilden. Ziel ist, sich vom Gegenüber gesehen und verstanden zu fühlen. Damit wird stets auch die Bindung gestärkt. Mehr dazu: https://www.couplesinstitute.com/utilize-the-initiator-inquirer-pro cess-in-couples-therapy

Als Anna und Tim mit ihrer neuen Beziehungsform gestartet sind, waren sie überzeugt, dass sie dann »einfach so« über aufkommende Herausforderungen sprechen können – sie hätten ja sonst auch eine direkte und fortlaufende Kommunikationskultur. So waren sie sehr erstaunt, wie schwer es ihnen fällt, fortlaufend und unmittelbar über Emotionales zu sprechen. Seit sie einen Podcast gehört haben, in dem das RADAR-Vorgehen vorgestellt wurde und dieses nun auch anwenden (anfänglich wöchentlich, jetzt alle zwei Wochen), fühlen sie sich viel sicherer in der neuen Beziehungsform.

Einerseits wissen sie, dass wenn Gefühle oder Gegebenheiten auftauchen, sie in absehbarer Zeit in einem sicheren und strukturierten Raum angesprochen werden können. Sie müssen sich nicht mehr immer damit befassen, wann wohl der allseits passendste Moment sein könnte, um etwas anzusprechen, sondern haben dafür einen vereinbarten Zeitpunkt.

Andererseits vermeiden sie schwierige Themen auch viel weniger und können ihre aufgekommenen Gefühle viel besser mitteilen, da sich die Sicherheit des strukturierten Rahmens etablieren konnte und sie sich in diesem Rahmen deutlich weniger Sorgen machen müssen, dass das Gegenüber schwierig reagiert und sie sich selbst dann noch verletzter fühlen. Ausnahmen zum strukturierten Austausch sind nach wie vor Notsituationen, in denen sie in einen großen Bindungsalarm kommen, der eine zeitnahe Zuwendung benötigt. Seit sie mit dem RADAR-Vorgehen begonnen haben, ist es jedoch auch viel seltener zu solchen Notsituationen gekommen.

Nach der Ausrüstung können, in einem Tempo, welches die Geschwindigkeit der Bindungssysteme aller Beteiligten beachtet, wieder Erkundungen außerhalb des Basecamps in Angriff genommen werden.

Erkundung (KNM-Training)

Da unsere überlebenswichtigen Bindungssysteme Veränderungen nur langsam zulassen und viel Sicherheit bedürfen, ist auch bei der Erkundung, der dritten Phase, ein behutsames Vorgehen angezeigt. In der Praxis hat sich eine langsame Steigerung oder Ausdehnung der Komfortzone in einer festgelegten Zeitperiode als nützlich erwiesen. Bei der erneuten Erkundung ist neben der vorsichtigen Ausdehnung der Komfortzone zudem auch auf weitere Herausforderungen, wie den Einfluss der »Neuen Beziehungsenergie« Acht zu geben.

Dehnen statt Überdehnen

In seinem bekannten Werk zum optimalen menschlichen Funktionieren spricht Csikszentmihalyi (1987) von dem entscheidenden Verhältnis zwischen Herausforderung und Fähigkeit, das zu einem Flow-Zustand führt. Dabei gibt es Hinweise, dass eine leichte Dehnung hin zur Herausforderung das persönliche Wachstum begünstigt (Kotler, 2014). Dies beobachte ich ähnlich in der Arbeit mit Paaren, die sich auf den Weg machen, ihre Beziehungsform zu transformieren. Anfänglich wandern eigentlich alle zu schnell und zu hoch und überdehnen dabei meist die Komfortzone ihrer Bindungssysteme. Fragt man sie nach der ersten Krise in der Therapie oder Beratung, mit wieviel Prozent sie im Nachhinein die (Über-)Dehnung ihrer Komfortzone angeben würden, hört man selten Werte unter 20 %, meistens eher so 80–90 %.

Diesem Umstand wollen wir in Therapie und Beratung Rechnung tragen und gemeinsam mit dem Paar, oder den weiteren beteiligten Beziehungsmenschen, herausfinden, welche Art von Dehnung der Komfortzone für sie passend sein könnte. Ganz im Sinne von Vereinbarungen und nicht festgesetzten Regeln, sollten diese Maßnahmen immer wieder überprüft und ausgewertet werden und so nicht starr festgesetzt sein. Als »Faustregel« hat sich in meiner Praxis eine Dehnung von höchstens 5 % etabliert. Was genau innerhalb der erwähnten »gedehnten Komfortzone« liegt, kann sehr unterschiedlich sein. In unserem Fallbeispiel zeigt sich dazu Folgendes:

Nachdem Anna und Tim nach zwei Monaten die Vereinbarung, dass er nicht mehr bei Vanessa übernachtet, auswerten und gemeinsam schauen, ob eine weitere (Aus-)Dehnung möglich wäre, kommen sie überein, dass sie versuchen wollen, Übernachtungen wieder möglich zu machen. Dies vorerst jedoch nur unter der Voraussetzung, dass Anna an diesen Abenden auch mit jemandem etwas unternimmt und wenig Stress bei der Arbeit hat.

Neue Beziehungsenergie

Ein spezielles Phänomen in KNM-Beziehungen ist die »Neue Beziehungsenergie« (Easton & Hardy, 2017; Kauppi, 2022). Hierbei geht es um den Zustand von (positiver) Aufregung (oder vielleicht könnte man den Zustand auch als »Verliebtheit« beschreiben), in der man von den neuen Beziehungsmenschen emotional oft sehr jugendlich-ergriffen sein kann, am liebsten ganz viel Zeit mit diesen verbringen möchte und zuweilen auch grenzenlos von diesen berichtet.

Kauppi (2022) empfiehlt, gerade in diesen Phasen gut Acht zu geben, eine intentionale Balance gegenüber den bestehenden Beziehungen herzustellen – also Signale des Interesses und Momente der Nähe herzustellen. Dies deckt sich mit meinen Erfahrungen und kann beinhalten, dass man in dieser Phase das Commitment und Interesse zur bestehenden Beziehung mit zusätzlichen Aktivitäten stärkt: Dies könnte beispielsweise bedeuten, dass man zusätzliche Dates oder Beziehungs-Check-Ins mit den bestehenden Beziehungspersonen einplant.

Nachdem Tim auf Vanessa traf, zu der er sich nicht nur sexuell hingezogen fühlte, war er so sehr »aus dem Häuschen«, dass er am liebsten die ganze Zeit auf Dates mit ihr hätte gehen wollen. Zudem konnte er sich nicht zurückhalten und hat Anna immer wieder von Vanessa und ihren tollen Eigenschaften erzählt. Auch wenn sich Anna gefreut hat, dass nun auch Tim der neuen Beziehungsform etwas abgewinnen kann, war dies doch zu viel und sie fühlte sich einem ständigen Vergleich mit Vanessa ausgesetzt, den sie gefühlt nur verlieren konnte. Unterdessen geben die Beiden gut darauf acht, auch gemeinsam genügend verbindende und aufregende Dinge zu erleben und so auch ihre langfristige Verbundenheit zu erleben und die eigene Beziehung zu feiern.

Die meisten KNM-Paare, die am Punkt von Anna und Tim angekommen sind, haben die gefühlte Verbundenheit wiedererlangt, ihr Bindungserleben gestärkt und sich auch die Ausrüstung für weitere Erkundungen und Ausflüge in KNM- Beziehungskonstellationen erarbeitet.

Finale Gedanken für die Praxis

In Psychotherapie- oder Beratungsausbildungen wird oft gelernt, dass man einen ungesunden Bindungsstil, ein Trauma oder Probleme mit der mentalen Gesundheit hat, wenn man an mehreren intimen Beziehungen interessiert ist. Nach Fern (2020) gibt es jedoch keine Forschung, die zeigt, dass man nur eine gesunde Erwachsene Bindung leben kann. Ziel ist, interessiert und offen zu sein für das, was Klient:innen für sich als wertvoll und passend erachten.

Bezüglich der Begleitung von KNM-Beziehungen ist es essentiell, dass sich Beratende und Therapierende ihren Kompetenzen, Fähigkeiten und möglichen Verzerrungen durch eigene vergangene Erfahrungen oder moralische Codes bewusst sind. Sollten diese nicht zur KNM passen, mag es sinnvoll sein, diese Klientel nicht zu begleiten oder sich Supervision mit einer erfahrenen Fachperson zu holen (Edwards et al., 2023).

Für Paare und Konstellationen, die aus unterschiedlichen Gründen keine Paartherapie machen können oder wollen, gibt es auch gute Ressourcen, um sich selber oder untereinander mit den jeweiligen Bindungsbedürfnissen zu befassen: Wie etwa das Buch Polysecure von Jessica Fern (2020) oder Halt mich fest (2019) von Sue Johnson. Zu beiden etablierten Werken gibt es jeweils auch strukturierte Arbeitsbücher (Fern, 2022; Johnson, 2023). Insbesondere das von Jessica Fern entwickelte HEARTS-Modell eignet sich vorzüglich, um gemeinsam an den jeweiligen Bindungsbedürfnissen zu arbeiten (Fern, 2020).

Jede Wanderung ist schön

Wenn bei Ihnen als Therapeut:in oder Berater:in jetzt das Gefühl »Puhhh, das ist ja alles gar komplex und klingt anstrengend« aufkommt, plädiere ich fürs Einlassen auf die Vielschichtigkeit dieser Beziehungsformen. Die Möglichkeit, unterschiedlich verbundene Bindungssysteme gleichzeitig zu begleiten und im Auge zu behalten, mag herausfordernd klingen. Die vielfältigen, berührenden Momente der (erneuerten) Verbindungen zwischen zwei und mehr liebenden Menschen sind jedoch unvergleichlich berührend. Jede Wanderung, ob in einer Hügellandschaft oder im Hochgebirge, ist schön – genauso wie sie ist.

Literatur

Bader, E., & Pearson, P. (2013). In quest of the mythical mate: A developmental approach to diagnosis and treatment in couples therapy. Routledge.

Beasley, C. C., & Ager, R. (2019). Emotionally Focused Couples Therapy: A systematic review of its effectiveness over the past 19 years. Journal of Evidence-Based Social Work, 16(2), 144–159. https://doi.org/10.1080/23761407.2018.1563013

Bowlby, J. (1988). A secure base: Parent-child attachment and healthy human development. Basic Books.

Csikszentmihalyi, M. (1987). Das flow-Erlebnis: jenseits von Angst und Langeweile: im Tun aufgehen. Klett-Cotta.

Degen, J. L. (2024). Swipe, like, love. Psychosozial-Verlag.

Easton, D., & Hardy, J. (2017). The ethical slut: A guide to infinite sexual possibilities. Greenery Press.

Edwards, C., Allan, R., Marzo, N., Wynfield, T., & Hicks, R. (2023). The use of emotionally focused therapy with polyamorous relationships. Family process, 62(4), 1362–1376. https://doi.org/10.1111/famp.12934

Fern, J. (2020). Polysecure: Attachment, trauma and consensual nonmonogamy. Thorntree Press.

Fern, J. (2022). The Polysecure Workbook: Healing Your Attachment and Creating Security in Loving Relationships. Thornapple Press.

Finn, M. D., Tunariu, A. D., & Lee, K. C. (2012). A critical analysis of affirmative therapeutic engagements with consensual non-monogamy. Sexual and Relationship Therapy, 27(3), 205–216. https://doi.org/10.1080/14681994.2012.702893

Fern, J., & Cooley, D. (2023). Polywise: a deeper dive into navigating open relationships. Scribe Publications.

Katz, M., & Katz, E. (2021). Reconceptualizing attachment theory through the lens of polyamory. Sexuality and Culture, 22, 792–809. https://doi.org/10.1007/s12119-021-09902-0

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Biografische Notiz

Jonas Bamert arbeitet als Psychologischer Psychotherapeut/Beziehungstherapeut in eigener Praxis in Bern (CH). Vor seiner Praxistätigkeit arbeitete er in verschiedenen klinischen Settings und leitete die Beratungsstelle der Hochschulen in Luzern (CH). Als Beziehungstherapeut (Einzel-, Paar- & Mehrpersonensetting) begleitet er Menschen in unterschiedlichsten Beziehungskonstellationen – ein Schwerpunkt dabei ist die Begleitung von Menschen in konsensuell nicht-monogamen Beziehungen.


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